Wenn man aufhört das Falsche zu tun…

Eine Aussagen von F.M. Alexander lautet: „Wenn man aufhört das Falsche zu tun, stellt sich das Richtige von alleine ein.“  Klingt gut, aber was ist damit gemeint?

Eine Grundannahme ist, dass wir als Menschen im Normalfall alle nötigen Mittel für eine gesunde Koordination mitbringen. Wir haben die angeborene Fähigkeit unseren Organismus so zu gebrauchen, dass wir uns dabei nicht schaden. Diese Tatsache kann man gut bei kleinen Kindern beobachten.

Diese angeborene Fähigkeit wird von Verhaltensmuster überlagert, die wir im Zuge unseres Lebens lernen. Es geht bei einer Alexander-Stunde also nicht darum etwas Neues zu lernen oder einzuüben, sondern herauszufinden welche Muster eine gute Koordination überlagern. Welche Muskelspannung, welchen Druck üben wir auf uns aus, wo es gar nicht nötig wäre. Wir wollen weg lassen, was zu viel ist - wir wollen verlernen. Das klingt auf den ersten Blick eher passiv, ist aber tatsächlich ein sehr aktiver Prozess, der die Aufmerksamkeit und Achtsamkeit des Schülers stark involviert. 

Aufmerksamkeit und Achtsamkeit auf die eigenen Reaktionen ist eine Grundvoraussetzung, um an der eigenen Koordination zu arbeiten. F.M. Alexander hat seine Methode mit der Zuhilfenahme von Spiegeln entwickelt. Er hat sich selbst über einen langen Zeitraum sehr genau beobachtet und so seine Methode über mehrere Jahre entwickelt. Der Alexander-Lehrer übernimmt die Funktion eines Spiegels. Er gibt Feedback und hilft dabei die eigenen Bewegungs- und Reaktionsmuster zu erkennen.

Ein weiteres grundlegendes Mittel der Alexander-Technik ist das Innehalten, oder wie F.M. Alexander es nannte „Inhibition“. Wir wollen Bewegungen während einer Stunde nicht automatisch und gedankenlos ausführen. Wir lernen zu den gewohnten Reaktionen auf eine Anweisung erst ein Mal „Stopp“ zu sagen. Wenn der Alexander-Lehrer zu einem Schüler sagt „Bitte setzt dich hin!“, soll der Schüler einen gedanklichen Prozess starten. Er soll zuerst ein Mal „Halt“ sagen zu der automatischen Reaktion die in diesem Moment vom Nervensystem abgerufen wird. In diesem kurzen Moment des Innehaltens, entsteht der nötige Raum, um an einer besseren Koordination zu arbeiten.

In einem zweiten Schritt wollen wir die Mittel einsetzen die tatsächlich nötig sind, um die geplante Tätigkeit auszuführen. Was ist tatsächlich nötig damit wir uns zum Beispiel hinsetzen? Ist es nötig die Atmung anzuhalten? Ist es nötig die Schultern hochzuziehen? Ist es nötig den unteren Rücken nach vorne zu drücken oder die Balance vom Kopf auf der Wirbelsäule zu stören?

Um sich mit möglichst wenig Kraftaufwand hinzusetzen, reicht es in den Fußgelenken, in den Kniegelenken und im Hüftgelenk zu beugen. Dieser Vorgang wirkt trivial; wer es aber selbst schon probiert hat wird feststellen, dass es gar nicht so leicht ist, die über viele Jahre erlernten Muster nicht abzurufen.

Um diese Koordination in der Bewegung aufrecht zu erhalten, hat F.M. Alexander körperlich-räumliche Richtungen (im Englischen „Directions“) entwickelt. Diese Richtungen sollen dabei helfen die natürliche Koordination des Organismus besser zu verstehen. Der Kopf zum Beispiel balanciert auf dem Kopfgelenk am höchsten Punkt der Wirbelsäule. In der Alexander-Technik wollen wir, dass der Hals möglichst frei von Spannung ist und der Kopf auf seinem Gelenk nicht nach Hinten und Unten gezogen wird. Ein Muster, dass man bei vielen Menschen beobachten kann und sich negativ auf die Gesamtkoordination auswirkt. Wir arbeiten daher mit der Anweisung: „Der Hals darf frei sein, so dass der Kopf nach Vorne und Oben geht.“ Diese Anweisung wird vom Schüler während einer Tätigkeit gedacht und vom Lehrer zur selben Zeit mit seinen Händen vermittelt. Dadurch entsteht ein ganz neuer Bewegungsspielraum und der Schüler macht die Erfahrung wie es ist, wenn er sich bewegt ohne die alten Muster dabei abzurufen.

Wir arbeiten während einer Alexander-Stunde im Sitzen, im Stehen, im Gehen – mit ganz alltäglichen Bewegungsabläufen und doch geht nicht darum diese einzelne Tätigkeiten zu trainieren und möglichst gut durchzuführen. Vor kurzem habe ich den Begriff „Kognitives funktionales Training“ gehört. Ich finde diese Worte beschreiben recht gut woran wir während einer Alexander-Stunde arbeiten. Wir arbeiten an der Verbindung von funktionalen Aspekten unseres Organismus mit unserem Denken. Woran wir eigentlich arbeiten ist die Reaktion unseres Nervensystems auf die Anforderungen die der Alltag so mit sich bringt. Die Alexander-Technik hilft dabei gewohnte Reaktionen zu hinterfragen und ermöglicht dadurch in vielen Lebenssituationen einen größeren Handlungsspielraum, mehr Freiheit, mehr Balance. Sie ist eine Arbeit über den Körper am ganzen Menschen.