Der Mythos von der Körpermitte

Gibt man auf Google & Co als Suchbegriff „Körpermitte stärken“ ein, findet man zahlreiche Links zu Techniken die eine starke Körpermitte propagieren. Es wird davon ausgegangen, dass eine starke Körpermitte zu einer besseren Körperhaltung führt, Rückenschmerzen lindert und zu besseren Leistungen bei sportlichen Aktivitäten führt. In dem Artikel „The Core Stability Myth“ auf Huffpost Lifestyle wirft der erfahrene Alexander-Technik Lehrer Adrian Farell die Frage auf, ob diese Aussagen tatsächlich haltbar sind.

Adrian Farrell weist auf den Unterschied zwischen Muskeltonus und Muskelkraft hin. Um eine ausgewogene, ausbalancierte und gesunde Körperhaltung zu erlangen, sind Koordination und Muskeltonus offensichtlich wichtiger als Muskelkraft. Ein zu viel an Kraft führt leicht zu einer gewissen Steifheit, die auf Kosten der Beweglichkeit geht.

Um zu einer besseren Koordination zu gelangen, ist es nicht nötig isolierte Muskelgruppen zu trainieren. Es reicht, laut den Entdeckungen von F.M. Alexander, die Verhaltensmustern zu verlernen, die mit der natürlichen Körperhaltung und Koordination interferieren. Haltung ist keine richtige Position und kann nicht mit Anspannung erzeugt werden – Haltung ist ein dynamischer und ständig fließender Balanceakt.

Wie oft hört man, dass man die Bauchdecke nach Innen ziehen soll? Laut Stuart McGill, einem Professor für Biomechanik an der Universität von Waterloo, hat dies genau den gegenteiligen Effekt. Wenn Muskeln näher an den Rumpf gebracht werden, reduziert sich die Stabilität der Wirbelsäule.

Adrian Farrell spricht in seinem Artikel nicht gegen eine generelle Stärkung des Organismus, oder gar gegen körperliche Betätigung und Sport. Seine Fragestellung lautet viel mehr, ob es aus medizinischer Sicht nötig und hilfreich ist die Körpermitte zu stärken, um Rückenschmerzen zu überwinden und die Körperhaltung zu verbessern.

In dem Artikel von Adrian werden unter anderem zwei Punkte aus einer anderen Forschungsarbeit hervorgehoben. Um eine motorische Tätigkeit zu lernen, ist es nicht besonders hilfreich sich nach Innen zu fokussieren und zum Beispiel die Spannung der Bauchmuskulatur bewusst zu steuern. Hilfreicher ist es, die Aufmerksamkeit nach Außen zu richten – man trifft den Tennisball nicht leichter, in dem man die Aufmerksamkeit auf die Steuerung der eigenen Muskel richtet; viel effektiver ist mit einer offenen und achtsamen räumlichen Wahrnehmung zu arbeiten. Ein grundlegendes Prinzip, dass wir in der Alexander-Technik lernen und anwenden.

Und der zweite Punkt: Chronische Rückenschmerzen scheinen zu einem hohen Grad mit psychologischen und psychosozialen Faktoren in Verbindung zu stehen. Auch hier bietet die Alexander-Technik einen ganzheitlich Ansatz. Sie befasst sich mit der Art und Weise wie wir auf unsere Umwelt reagiert.

Zum ganzen Artikel geht es hier: The Core Stability Myth

Und hier noch ein interessantes Video zu diesem Thema: Prof Peter O'Sullivan and Core Stability - April 2012