„Nach oben loslassen“ oder „Nach oben strecken“? Eine aktuelle Studie über die Alexander-Technik und Parkinson.

Vor kurzem wurde in der Zeitschrift „Neurorehabilitation and Neural Repair“ eine Studie über Alexander-Technik und Patienten mit Parkinson veröffentlicht.

Bereits 2002 gab es eine Studie die sich mit den Auswirkungen von Alexander-Technik auf Parkinson Patienten befasste. Die Patienten erhielten entweder 24 Einzelstunden Alexander-Technik, 24 Einheiten Massage oder keine Intervention neben ihrer verschriebenen Parkinson Medikation. Die Studie aus den Jahr 2002 zeigte, dass Alexander-Stunden die Fähigkeit Alltagsaktivitäten auszuführen bedeutend steigert. Die Parkinson Medikation der Patienten mit Alexander-Stunden musste im Gegensatz zu den der beiden anderen Kontrollgruppen nicht gesteigert werden. Das ist bemerkenswert, da bei Parkinson Patienten die Medikation im Verlauf der Krankheit meistens erhöht werden muss. Die Patienten berichteten über eine verbesserte Haltung und Balance, einem besseren Umgang mit ihrer Krankheit und verringertem Stress.

 

Eine Herausforderung bei solch einer Studie ist es, zu erklären weshalb eine bestimmte Intervention einen Effekt erzielt. Bei der Studie im Jahr 2002 wurde Massage verwendet, um den Effekt von Berührung zu festzustellen. Obwohl die Art der Berührung in der Alexander-Technik und bei Massage sehr unterschiedlich ist, nutzen beide Methoden während einer Behandlung ein ähnliches Maß an Berührung. Da die Alexander-Technik im Gegensatz zur Massage eine positive Wirkung zeigte, kamen die Forscher zu der Schlussfolgerung, dass Berührung alleine nicht für den positiven Effekt auf die Parkinson Patienten verantwortlich sein konnte. Die Patienten die Alexander-Stunden bekamen, hatten eindeutig etwas gelernt – aber was?

Die aktuelle Studie vom Hauptautor Dr. Rajal Cohen trägt den Titel: „Loslassen nach oben: Spezifische Haltungsanweisungen beeinflussen die Axiale Rigidität und Schritt-Initiierung bei Patienten mit Parkinson Krankheit.“ (hier in voller Länge zu lesen). Diese Studie war kleiner und auf einen ersten Blick gesehen einfacher: 20 Patienten mit milder bis moderater Parkinson übten mit zwei unterschiedlichen Haltungsanweisungen für jeweils 10 Minuten. Ein Set an Übungen, mit dem Namen „Nach oben strecken“ (im englischen „Pull Up“), basierte auf einem mit Anstrengung verbundenem Haltungskonzept. Das andere Übungsset, mit dem Namen „Nach oben loslassen“ (im englischen „Lighten Up“), basierte auf einem Loslassen in die Länge anhand den Grundlagen der Alexander-Technik.

Das Forschungsteam untersuchten die Axiale Rigidität (gesteigerte Axiale Rigidität interferiert mit Bewegung), Haltungsschwankungen (Schwankungen erhöhen das Risiko zu stürzen), und die Gleichmäßigkeit und Effizient beim initiieren von Bewegungen. Die Studie ist von Interesse für alle die sich mit Bewegung und Haltung auseinandersetzen, weil sie zeigt, dass unsere Gedanken über Haltung einen messbaren Einfluss auf die Qualität von Haltung und Bewegung haben.

 

Während der Studie bekamen die Parkinson Patienten zuerst Erklärungen für die beiden Anweisungen zu lesen. Die „Nach oben strecken“ Anweisungen basierte auf einem geläufigen Haltungskonzept:

 

Parkinson macht sie schwächer. Es ist deswegen wichtig die Muskeln der Körpermitte zu stärken, die sie nach oben zu ihrer vollen Größe strecken. In den nächsten 10 Minuten richten sie ihre Aufmerksamkeit bitte auf das Gefühl, dass ihre Nacken- und Rumpfmuskulatur stark arbeiten, um sie nach oben zu ziehen.

 

Die Patienten übten dann diese spezifischen „Nach oben strecken“ Anweisungen:

 

Nutzen sie ihre Rumpfmuskulatur um sich in die volle Länge zu strecken; nutzen sie die Muskeln in der Bauchregion so wie die des unteren Rückens; fühle sie wie die Hals- und Rumpfmuskulatur daran arbeiten sie nach oben zu strecken. Ziehe sie den Bauch nach innen, den Kopf und Brustkorb nach oben, die Schultern zurück.

 

Die „Nach oben loslassen“ Anweisungen hatten hingegen als Grundlage die Alexander-Technik. Die Forscher ließen die Patienten folgende Erklärungen lesen:

 

Wie auch immer unser derzeitiger Zustand ist, es wird schlimmer, wenn wir uns auch noch selbst nach unten ziehen, insbesondere in dem wir den Hals verspannen und den Kopf nach unten drücken. Für die nächsten Minuten möchten wir sie bitten ihre Aufmerksamkeit darauf zu richten eine aufwärts Richtung zu erlauben.

 

Danach übten die Patienten folgende Anweisungen:

 

Bemerken sie, dass sie sich hinunter ziehen und erlauben sie sich damit aufzuhören; lassen sie ihren Kopf mit Leichtigkeit am höchsten Punkt der Wirbelsäule balancieren; erlauben sie ihrer Wirbelsäule unkomprimiert zu sein und, dass sich ihr Rumpf völlig mühelos längt; lassen sie ihre Schultern und den Brustkorb offen und leicht sein.

 

Als Kontrolle zu den beiden oben beschriebenen Prozeduren gaben die Forscher den Patienten auch Anweisungen die zu einem „entspannten Zustand“ führen sollten:

 

Stellen sie sich vor, dass sie am Ende eines langen Tages müde und träge sind; Erlauben sie, dass ihr Kopf sich schwer anfühlt und leicht nach vorne und unten sinkt; entspannen sie ihre Schultern und erlauben sie, dass sie schwer herabhängen.

 

Was wurde bei dieser Studie herausgefunden? Wenn die Patienten „nach oben loslassen“ übten konnten die Forscher weniger axiale Rigidität, weniger Haltungsschwankungen und eine höhere Gleichmäßigkeit und Effizient beim initiieren einer Bewegung feststellen, als wenn die Patienten „Nach oben strecken“ oder „Entspannen“ übten.

 

Da die Parkinson Krankheit einen sehr schädlichen Effekt auf die motorische Steuerung hat, haben sich die Autoren keinen Messbaren Erfolg durch das üben von subtilen und differenzierten Haltungsintentionen erwartet. Bemerkenswert ist auch, dass so knappe Anweisungen, ohne die manuelle Arbeit eines Alexander-Lehrers, ein so positives Resultat bewirken. Besonders interessant ist, dass diese Studie zwischen dem Ansatz „Nach oben loslassen“ und der geläufigeren Vorstellungen „Nach oben strecken“ unterscheidet. Viele Ansätze in der Bewegungswelt gehen von einer starken Körpermitte aus, fördern das aktive Eingreifen in die Haltung und stellen Training und Übungen in den Vordergrund. Diese Studie zeigt auf, dass ein „Nach oben loslassen“ wie wir es in der Alexander-Technik kennen, für alle die sich mit mehr Leichtigkeit und Effektivität bewegen wollen, zahlreiche Vorteile bietet und sehr effektiv ist.

  • Ich habe den ursprünglichen Artikel rund um dieses Thema aus dem Englischen ins Deutsche sehr frei übersetzt. Der Originalartikel ist hier zu finden.